Nur noch sieben Tage sind es auf der Uhr bis es endlich losgeht. Fast ein Jahr Vorbereitung und Planung liegen hinter uns. Mit jedem Tag wächst die Vorfreude, aber auch der Respekt. Seit Anfang des Jahres bin ich rund 450 Kilometer gewandert, habe über 11.500 Höhenmeter überwunden und dabei die ein oder andere schmerzhafte Erfahrung machen müssen. Nur langsam haben sich meine Füße an die Belastung von achtstündigen Tagesmärschen gewöhnt.
Finale Test-Tour durch Weihrichkarzls Haamit
Unsere letzte Vorbereitungstour führte uns auf den höchsten Berg Mitteldeutschlands – den Fichtelberg. Startpunkt: Neudorf am Fuße des Fichtelbergs und Heimat eines der bekanntesten Erzgebirger – dem Karzl oder Weihrichkarzl. Sein zu Hause ist die Räucherkerzchenmanufaktur „HUSS“. Drinnen waren wir leider nicht. Trotzdem lohnt es sich doch wenigstens daran vorbeizulaufen, nicht nur um ein Foto mit dem schicken VW Käfer zu machen, auf dessen Ladefläche das Karzl entspannt die Sommerluft genießt, sondern auch wegen des Automaten an der Hauswand der Manufaktur. Was auf den ersten Blick wie ein Selbstbedienungskasten für Zigaretten wirkt, birgt auf den zweiten Blick einige der beliebtesten Karzl-Sorten. Sogar Lavendelduft ist dabei. In der Adventszeit kann man in der Manufaktur auch seine eigenen Räucherkerzen kneten.

Vor unserer Wanderung hatte es mehrere Tage geregnet. Entsprechend aufgeweicht waren auch die Wege. Viel nerviger waren allerdings die vielen Bremsen und Mücken. Insektenspray half da auch nur bedingt. Die Route führte uns zunächst entlang der Strecke der Fichtelbergbahn. Später ging es dann quer durch den Wald bis zur Talstation der Himmelsleiter.
Ein Tritt ins Schienbein auf der Leiter gen Himmel
Dort wartete ein kleiner alpiner Vorgeschmack auf uns. Jeden Winter werden auf der Himmelsleiter hunderte von Skifahrern per Schlepplift hochgezogen. Im Sommer ist der Hang hingegen verlassen und so waren wir die Einzigen, die an diesem Tag den steilen aber direkten Aufstieg genommen haben, um den Gipfel zu erreichen. Oben angekommen wartete einer der schönsten Ausblicke über das Erzgebirge und ein Eis im Bergrestaurant auf uns.



Zwei Tage in Folge waren wir unterwegs – kein großes Problem auf vorangegangenen Wanderungen. Nie hatten meine Beine mich im Stich gelassen. Quasi eiskalt erwischt haben mich deshalb heftige Schmerzen im linken Schienbein nach unserer finalen Test-Tour.
Auch am zweiten Tag nach der Wanderung ließ der stechende Schmerz beim Laufen nicht nach – klare Zeichen einer Überlastung in den Waden. Muskulatur und Sehnen hatten sich durch die Anstrengung so stark verkürzt, dass die Schienbeinmuskulatur den Ausgleich nicht mehr schaffte. Dehnübungen und das Ausrollen auf der Faszienrolle brachten zwar rasche Besserung. Trotzdem war mir schlagartig wieder bewusst, dass es in den kommenden Wochen wichtiger denn je sein würde, achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen.
Wichtigste Lektion: Achtsamkeit
Achtsamkeit mit sich selbst ist die wohl wesentlichste Lektion, des vergangenen halben Jahres.
Denn es sind nicht die Reifen eines schnellen Autos oder die Flügel eines massiven Flugzeugs, die mich bei der bevorstehenden Reise ans Ziel tragen werden, sondern nur die eigenen Füße und der eigene Körper.
Schon beim kleinsten Ziehen an den Füßen halte ich an, suche die Schwachstelle. Die Gefahr von Sonnenbrand ignoriere ich längst nicht mehr so leichtfertig, wie noch im vergangenen Sommer. Und während es mir noch vor ein paar Monaten zu umständlich gewesen wäre, den Rucksack wegen eines leichten Regenschauers abzuschultern, um die Regenkleidung anzulegen, genügt nun schon der Ausblick auf die dunkle Front. Die vielen Kilometer draußen mit mir allein in der Natur haben mein Köpergefühl verändert. Und auch wenn es pathetisch klingt: Nie war ich mir physisch und seelisch näher als jetzt.
Umso gespannter blicke ich auf die bevorstehenden fünf Wochen – immer mit der Frage: Was werde ich über uns, über mich lernen und wie weit können wir unsere eigenen Grenzen verschieben?